Der Winter ist das Highlight für alle Fans des ovalen Balls. Im American Football steht am 3. Februar traditionsgemäss der Super Bowl an. Für die Rugby-Anhänger geht das sechswöchige Six Nations - Turnier am 1. Februar los. Was unterscheidet die beiden körperbetonten Sportarten mit dem ovalen Ball?
Rod Ackermann
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Es gibt auf der Welt nur einen Fussballsport, was einer der Hauptgründe für die rasende Popularität des Spiels mit dem runden Ball ist. Hingegen sind zwischen dem vor bald 200 Jahren in England erfundenen Rugby und seinem in Übersee geborenen Spross namens American Football, den zwei Mannschaftssportarten mit einem ovalen Ball, erhebliche Unterschiede festzustellen.
Winter um Winter, zur Zeit der Super Bowl in den Vereinigten Staaten und des Auftakts zum Six-Nations-Turnier in Europa, führt dies zu animierten Diskussionen zwischen den Anhängern der Disziplinen. Geht den einen die Super-Bowl-Nacht mit ihrem Drum und Dran über alles, so schwören die anderen auf die fünf Wochenenden von Cardiff, Dublin, Edinburg, London und Paris.
Rund um den Globus längst ein Begriff geworden und Anlass für entsprechende Partys ist der Final der National Football League (NFL). Nicht zuletzt dank seiner Halbzeit-Show zieht der auf die Bedürfnisse der Television und des Kommerzes zugeschnittene Match – ähnlich wie Coca-Cola, Hollywood und Rock’n’Roll ein Urbegriff des «made in USA» – neben dem Rekordpublikum in den USA Hunderte von Millionen nichtamerikanischer Zuschauer in seinen Bann. Auf der Hand liegt dabei die Frage, ob es noch um Sport geht oder um eine Art Lebensgefühl.
Weit bescheidener steht es demgegenüber mit der Beachtung der inoffiziellen Rugby-Europameisterschaft, auch in Jahren mit einer Weltmeisterschaft (im Herbst findet in Japan der Rugby-World-Cup statt). Mögen die Six-Nations-Stadien zwar wie üblich ausverkauft sein, so beschränkt sich das Echo weitgehend auf die Teilnehmernationen sowie die Länder, wo Rugby Hauptsportart ist – Australien, Neuseeland, Südafrika. Dafür kann es die Stimmung in den Pubs mit den Direktübertragungen durchaus mit jener an Super-Bowl-Nights aufnehmen.
Der Körper als Waffe
Hüben wie drüben stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit Sportarten im Zeichen des vollen Körperkontakts, will heissen: mit ausgesprochen hoher Verletzungsgefahr. Treten die Spieler im Rugby lediglich mit minimalen Schutzpolstern an, so sind die Aktiven im American Football mit Sturzhelmen und Schulterpanzern versehen, was die Bereitschaft erhöht, den Körper als Waffe einzusetzen. Wenig erstaunlich, dass die Zahl der NFL-Aktiven mit bleibenden Gesundheitsschäden höher liegt als beim Rugby. Und das, obwohl die Spieldauer im American Football mit 60 Minuten Matchdauer, aber durchschnittlich nur 11 Minuten wirklicher Action, wesentlich kürzer ist. Rugbyspieler haben pro Match 80 Minuten zu überstehen, 60 Minuten davon sind Spielfluss. Kein Wunder, haben Rugbyspieler in der Regel bessere körperliche Fitness nebst Ausdauer vorzuweisen, wogegen Football-Hünen physisch stärker sind und im Schnitt auch grösser und schwerer.
Die den Amerikanern eigene Kultur des spektakulären «big hit» hat als Begleiterscheinung eine beängstigende Anzahl von Hirnschäden erzeugt. Eine medizinische Untersuchung brachte zutage, dass bei 34 von 35 Ehemaligen im Kopf etwas nicht mehr stimmte. Tausende von Schadenersatzprozessen gegen die Liga sowie deren Franchises sprechen eine deutliche Sprache, ebenso die unter 60 Altersjahren liegende Lebenserwartung von Ex-Professionals. Die NFL tut seit Jahren ihr Möglichstes, die hohen Gesundheitsrisiken zu verharmlosen, doch Geschäft ist Geschäft und das Business mit dem Football, dem professionellen wie auch jenem der Colleges, das lukrativste im US-Sport. Verletzungsgefahren bestehen natürlich auch im Rugby, aber sogenannte «head tackles» sind verboten. Weil das Spiel zudem auf allen Kontinenten ausgeübt wird und ein internationaler Verband über der Szene wacht, ist die Verschleierungsgefahr weniger gross.
Sache des Geschmacks
Welche der beiden Sportarten zu bevorzugen sei, bleibt Geschmackssache – auch und gerade in Ländern wie der Schweiz, wo sowohl Rugby als auch American Football nur von wenigen Hunderten Aktiver betrieben werden und der Zuschauer eine Präferenz für konstanten Spielfluss sowie Tempo hat. Ein bemerkenswertes Fallbeispiel liefert diesbezüglich das Land des Fussball-Weltmeisters, Frankreich. Während «le foot» in Sachen Publiku*mszulauf und Marktpotenzial unumstrittene Nummer eins ist, hat sich Rugby im Südwesten der Nation traditionell der grösseren Popularität erfreut und ist die «Top 14»-Profiliga als finanziell stärkste der Welt bevorzugtes Ziel von Spitzenspielern aus der südlichen Hemisphäre. Das hindert Abertausende von Franzosen auch dieses Jahr nicht daran, in der Nacht des Super-Bowl-Sunday wach zu bleiben, nur 48 Stunden nachdem die «Quinze de France» zum Auftakt des Sechs-Nationen-Turniers die walisische Nationalmannschaft im Stade de France empfingen.
Rod Ackermann, Paris
Nicola Berger